Manchmal durchfährt mich der Gedanke, dass es doch wirklich ganz schön unvorteilhaft ist, dass ich beim Oboe spielen so zerknautscht aussehe. Da singe ich gerade noch über die Leichtigkeit des Lebens und kaum nehme ich die Oboe in die Hand, sehe ich aus wie ein Shar Pei, der auf eine Zitrone gebissen hat. Das nächste was ich mir durch den Kopf schießt, ist, dass sich Männer solche Sachen wahrscheinlich nicht denken.
Zugegeben, ich habe noch keinen einzigen Oboisten getroffen, der beim Oboe spielen schöner aussieht, aber manchmal kommen Zuhörer zu mir und sagen „Wie halten Sie das bloß aus? Und sie werden ja ganz rot beim spielen!“. Wenn ich Glück habe fällt mir dann eine bissige Antwort ein. Wenn nicht, dann ärgere ich mich manchmal schon darüber und frage mich, ob meine männlichen Kollegen solche Dinge auch gefragt werden – und ob sie das stört?
Ja, es stimmt. Männer haben Vorteile beim Oboe spielen.
Nicht nur darin, dass man sie ganz einfach nicht so sehr nach ihrem Äußeren bewertet sondern auch in der physischen Kraft. Bei Wettbewerben wird oft ein Programm verlangt, welches allein von der körperlichen Anstrengung her einem Marathon entspricht. Das kann dann schon frustrierend sein, denn im Sport gelten für Männer und Frauen ja auch unterschiedliche Maßstäbe. Die gute Nachricht ist: Mit einer ausgefeilten Technik kann man viele Hindernisse überwinden. Und außerdem, vor 100 Jahren wurde Frauen das Talent zum musizieren mehr oder weniger abgesprochen – sie wären nicht feinfühlig genug. Darüber kann man heute nur noch lachen und sich denken „Das haben wir überwunden, den Rest schaffen wir auch noch.“
Also los Oboen-Frauen! Ärmel hochkrempeln Oboe spielen! Der Anteil an weiblichen (Orchester-) Musikerinnen ist auf jeden Fall noch nicht da, wo er hingehört, das zeigen uns die aktuellen Statistiken.
Über das Kapitel Frauen in der Musik könnte man, besonders heute am Weltfrauentag, einen ganzen Roman schreiben.
Ich selbst habe während meiner Zeit als Musikerin oft erlebt, dass Männer Vorteile genießen, die man als Frau einfach noch nicht hat. Es geht hier um subtile Angelegenheiten, die sehr oft nicht unter voller Absicht geschehen – umso wichtiger ist es meiner Meinung nach über dieses kontroverse Thema zu sprechen.
Es geht um Netzwerke, die Männer haben, die Frauen nicht haben. Und es geht um mentale und physische Kraft, die Frauen fehlt oder ihnen nicht mitgegeben wird. Es geht auch darum, dass es von manchen Männern UND Frauen immer noch als normal angesehen wird, dass Frauen keine Solostellen besetzen, oder dem gängigen Musikerlifestyle einfach nicht gewachsen sind und spätestens vom Radar verschwinden, wenn sie schwanger sind.
Ich frage mich oft: Wie soll ich in einer Männerdomäne bestehen, in der sich alles immer schneller, höher, weiter dreht und nicht darum, weich zu bleiben, etwas Gutes, Positives, Leises in eine Welt zu setzen, in der darum geht, so laut wie möglich zu brüllen und sich auf die Brust zu klopfen?
Und: Wie kann ich mich in einer Welt zurecht finden, in der ich keine Vorbilder habe?
Es gibt sie (noch) nicht, die Oboistin, die eine ganze Generation von Oboisten geprägt hat. Es gibt sie nicht, die Liedermacherin, die sich neben den ganz großen Namen des letzten Jahrhunderts einreiht.
Aber es wird sie geben, da bin ich mir ganz sicher.
Bestes Gegenbeispiel für die Dominanz der männlichen Kraftoboisten ist doch auch Juliana Koch, die letzte ARD Preisträgerin: Sie ist recht klein, eine Frau und hat im Wettbewerb sämtliche männliche Mitkonkurrenten wunderbar ins Staunen versetzt. Dabei sieht sie weitaus besser aus beim Spielen als viele ihrer angestrengt blasenden männlichen Mitbewerber. Daß es auch männliche Preisträger gab sei der Gerechtigkeit halber erwähnt.
Stimmt – ich kenne Juliana gut und sie ist tatsächlich eine Powerfrau 🙂 Allerdings auch nach wie vor eine Ausnahme.
Ist es unbedingt nötig sich Gedanken übder die Dominaz der Geschlechter zu machen? Ist es wirklich so wichtig ob eindrucksvolle Musik oder wiunderbare Lieder von einer Frau oder einem Mann gemacht werden? Ich frage mich ob die Unterschiede zwischen Frauen und Männern wirklich so gewaltig sind? Mag sein, im Bereich der Maximalkraft. Aber in der Ausdauer sind die Unterschiede nicht wirklich überwältigend. Ist es nicht ein wenig zu kurz gegriffen Vieles auf den Geschlechtsunterschied zu reduzieren? Was macht eine Frau zu einer Frau (Aussehen, Genetik, Eigengefühl?), was ist mit ihren männlichen Anteilen?
Sollte es nicht letztlich unwichtig sein, ob eine Frrau oder ein Mann am Dirigentenpult steht, ein Konzert spielt oder berührende Lieder schreibt? Sollte es nicht viel eher um das Werk,, um das Ergebnis (ob schöpferisch oder reproduzierend) gehen?
PS: Miriam, du bist auch attraktiv, wenn du konzentriert und angestrengt Oboe spielst. Du siehst anders aus, aber nicht „ganz schön unvorteilhaft“
Lieber Thomas, all deine Fragen kann ich sehr gut nachvollziehen. Du hast natürlich Recht damit, dass es letztlich unwichtig sein sollte, ob man nun Mann oder Frau ist und ich wünschte, man müsste sich darüber keinerlei Gedanken machen. Leider habe ich in den letzten Jahren immer wieder das Gegenteil erfahren. Es wird momentan viel dafür getan, dass Frauen und Männer auch im Musikbereich gleiche Chancen haben, aber das ist ein langer Weg. Die männlichen Kollegen in meinem Alter sind dafür meist schon sehr gut sensibilisiert, aber an der Spitze stehen meist nach wie vor, wie auch in Politik und Wirtschaft Menschen (Männer UND Frauen) aus einer anders denkenden Generation (das will ich aber um Gottes Willen nicht verallgemeinern). Dazu kommt, dass Männer von anderen Strukturen profitieren, die uns Frauen oft nicht zugänglich sind und das wir uns natürlich auch selbst klein machen oder den Mut verlieren, wenn wir Kinder bekommen – dieser Unterschied zwischen Mann und Frau ist ja „leider“ nicht wegzudenken und das ist auch gut so.
Dieses Thema ist sicherlich abendfüllend, darüber kann man stundenlang diskutieren. Ich stimme dir in jedem Fall zu: Die Unterschiede zwischen Mann und Frau sind im Großen und Ganzen gar nicht so gewaltig, die Frage ist wohl eher, wie wir an den Punkt kommen, das wirklich zu sehen und zu verinnerlichen.