Heute möchte ich etwas zu einem Thema schreiben, was ich heikel finde. Heikel deshalb, weil es um das Wohlbefinden beim Oboe spielen geht und weil es deshalb auch sehr persönlich ist. Ich glaube jedem Oboisten wird in seiner Musikerlaufbahn früher oder später beim Spielen mal schwindelig. Das ist zunächst kein Grund zur Panik – den Meisten passiert das nämlich auch ohne Oboe regelmäßig, z.B. wenn sie morgens zu schnell aus dem Bett aufstehen. Schwindel ist also generell erstmal etwas Harmloses, was irgendwie dazu gehört. Belastend wird es dann, wenn er ständig mit dabei ist und euch zu sehr am freien Musizieren hindert.
Jeder kennt die gängigen Ratschläge, wenn einem im alltäglichen Leben eine Schwindelattacke überfällt.
- genug trinken
- dem Kreislauf Zeit lassen (besonders morgens oder nach einer Ruhephase, anstrengendem Sport, etc.)
- den Körper vor hohen Temperaturschwankungen schützen
- sich fit halten
- gegebenenfalls einen Bluttest machen
- …
Wie ist das jetzt bei der Oboe?
Es gibt Oboisten, denen wird nie schwindelig. Ich gehöre nicht dazu. Ich habe in der Vergangenheit auch schon darüber geschrieben, dass mich immer wieder Menschen fragen, ob ich nicht viel zu klein und zu zierlich sei, um Oboe zu spielen. Wenn mein Kreislauf mal wieder einen schlechten Tag hat und die Sternchen fröhlich um mich kreisen, kam mir mitunter der Gedanke, ob sie vielleicht Recht haben.
Über Jahre hinweg habe ich für mich persönlich aber rausgefunden, welche Umstände Schwindel am Instrument begünstigen und wie ich besser mit ihnen umgehen kann. Am Ende war klar, dass die ganze Sache mit meiner Statur erstmal herzlich wenig zu tun hat – man ist wie man ist und das ist gut so und wenn man will findet man meistens auch einen Weg damit zurecht zu kommen.
Was mache ich also, wenn ich körperlich gesund bin, mir beim Oboe spielen aber öfter schwindelig wird?
1. Hinsetzen (!!!)
Ich übe morgens und spät abends ausschließlich im Sitzen. Wenn ich mich einspiele und mich mit Technik beschäftige, sitze ich grundsätzlich. Wir Oboisten müssen sowieso in der Lage sein, sowohl sitzend als auch stehend zu spielen. Im Stehen spiele ich, wenn ich ganze Stücke durchgehe oder einfach den größtmöglichen Spaß haben möchte und mich danach fühle. Es ist ein interessantes Phänomen, dass mir bei Kammermusikproben fast nie schwindelig wird, auch wenn wir stehen. Ich denke es hängt damit zusammen, dass man in der Gruppe eine andere Energie hat – auch wenn man müde ist, reißen eine die Anderen mit und man spielt im Allgemeinen energischer, als alleine im Überaum.
Mein ultimativer Tip: Alle technischen Übungen im Schneidersitz spielen. Ja, genau, auf dem Boden sitzend, Beine über Kreuz, wie die Schlangenbeschwörer. Wer sich da einigermaßen wohl fühlt, wird überrascht sein, denn wenn man sich in dieser Position befindet, kann einem kaum schwindelig werden. Deshalb haben sich die Schlangenbeschwörer bestimmt auch so hingesetzt. Wer weiß denn schon, wie lange man die Schlange beschwören muss, bis sie sich endlich aus dem Korb heraus bequemt…
Falls du im Schneidersitz sitzen nicht angenehm findest, kannst du dich dabei natürlich auch an eine Wand lehnen oder du findest eine ganz andere Position. Sei kreativ, probier es aus und was sich gut anfühlt, ist meistens auch das Richtige.
2. Lüften
Stickige, warme Überäume können eine wahre Folterkammer sein. Wenn es irgendwie möglich ist, solltest du immer versuchen ein angenehmes, eher kühles Raumklima zu schaffen.
Ganz schwierig sind für mich persönlich alte Bühnenstrahler, die noch so richtig schön heiß werden und direkt auf mich hinunter scheinen. Da bleibt dann nur gleichmäßig ein- und ausatmen und das Konzert genießen, so gut es eben geht. Es hilft auf jeden Fall, den Grund für den Schwindel zu kennen und anzuerkennen – wenn man dann noch bereit ist, den eigenen Perfektionismus in solchen Situationen ein klitzekleines bisschen herunterzuschrauben, wird das Konzert oft besser als gedacht.
3. Wasser trinken
Ihr seht schon, egal ob Oboe spielen oder nicht: Die grundsätzlichen Ratschläge bleiben ungefähr die Gleichen. Wer sich schwindelig fühlt, sollte probieren ein ganzes Glas Wasser zu trinken, bevor er beginnt zu üben. Auch währenddessen sollte man darauf achten, dass man nicht dehydriert. Schließlich ist Oboe spielen, wie wir alle wissen, Leistungssport 😉
Apropos Sport…
4. Sport machen
Um Oboe spielen zu können, müssen wir fit sein. Dazu gehört neben ausreichend Bewegung natürlich auch eine gesunde Ernährung und ein gutes Körperbewusstsein. Rauchen – und diese Diskussion habe ich trotzdem immer wieder mit Schülern – ist ein absolutes NO GO. Man kann von seiner Lunge nun wirklich keine Höchstleistungen erwarten, wenn man sie vorher einer solchen Belastung aussetzt.
Wieviel Sport ausreichend ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich persönlich bin keine Sportskanone, mache aber sehr viel Yoga und mein Hund sorgt dafür, dass ich viel an der frischen Luft bin. Viele Oboisten schwören aufs Schwimmen und Tauchen. Das macht Sinn, denn auch ich vergleiche Oboe spielen sehr gerne mit Apnoe-Tauchen.
5. Locker bleiben
Auch innere Anspannung kann zu Schwindel führen. Hochgezogene Schultern, ein fester Nacken oder eine angespannte Atemmuskulatur begünstigen, dass die Sternchen um einen herum nur so kreisen. Manchmal hat man das natürlich nicht in seiner Hand. Im Unterricht z.B. musst du aber unbedingt rechtzeitig Bescheid geben, wenn sich ein Schwindelgefühl ankündigt. Dein Lehrer sollte dann mit dir ausloten, woher dieses Problem kommt. Viele Schüler sind angespannt im Unterricht, müssten es aber gar nicht sein. Die meisten Lehrer unterrichten heute nicht mehr nach der gefürchteten alten Schule sondern mit Hilfe von pädagogisch wertvolleren Ansätzen. Sprich mit deinem Lehrer, wenn du dich unwohl fühlst, denn Musik soll Freude machen.
Wenn euch euer Schwindel belastet, sprecht in jedem Fall mit eurem Lehrer darüber.
Vielleicht kann er euch auch mit gezielter Verbesserung eurer Technik helfen. Die Stütze und die Luftführung sind oft ein Grund, weshalb man sich selbst zu großem Druck aussetzt. In meinem Artikel zum Thema „Atmen“ könnt ihr nochmal nachlesen, wie unglaublich wichtig die richtige Atmung für einen schönen Oboenton ist.
Scheut euch nicht, dieses Thema anzusprechen, denn am Ende des Tages ist euer Körper Teil eures Instruments und möchte immer gut behandelt werden.
Habt ihr eigene Tips, wie ihr mit dem Schwindel umgeht? Ich freue mich immer über eure Anregungen und gehe wie immer gern auf eure Fragen ein.